Ein flaches, amorphes Objekt mit glänzender Oberfläche liegt mitten im Raum auf dem Boden und legt sich dem Betrachter gewissermaßen in den Weg. An einer Wand sind mittels einer Halterung nach oben gewölbte Schalen befestigt. Senkrecht im Raum steht ein Oval, welches aus gebogenen Stangen geformt ist und dem eine fächerförmige Fläche am Boden als Basis dient.
Alle Objekte von Mirja Busch haben zwei wesentliche Gemeinsamkeiten. Sie sind weiß und ihre Größe suggeriert Handhabbarkeit, denn sie überschreitet nie die Ausmaße des menschlichen Körpers.
Da ihre glatten Oberflächen auf den ersten Blick keinen Makel aufweisen und da einige von ihnen in zweifacher, identischer Ausführung vorliegen, entsteht der Eindruck, es handele sich um industriell gefertigte Objekte.
Aufgrund ihrer Schlichtheit und Reinheit liegt zunächst die Vermutung nahe, dass die Herkunft dieser Gegenstände in einem Bereich zwischen Arztpraxis und Designermöbelhaus zu finden ist; vor allem aufgrund der weißen und daher unbestimmten Farbigkeit bleibt Raum für unterschiedliche Assoziationen. Außerdem verleiht das Weiß den Objekten eine Leichtigkeit, die es kaum möglich macht auf den ersten Blick zu ergründen, ob sie aus massivem, schwerem oder aus flexiblem, leichtem Material gefertigt sind. Dies ist einer der Gründe für den haptische Reiz der Objekte: Der Betrachter möchte sie befühlen, abtasten, um ihrer Materialität auf die Spur zu kommen. Auch der Umstand, dass viele Objekte abgerundete Teile aufweisen, die den Eindruck hervorrufen, sich der Wölbung einer Hand anzupassen, weckt den Wunsch, die Objekte zu berühren. Hinzu kommt, dass die Begegnung zwischen Kunstwerk und Betrachter unmittelbar ist, da sie weder durch einen Sockel, noch durch ein Absperrband oder ein ähnliches Hindernis voneinander getrennt werden. Auf diese Weise wird der Betrachter dazu verleitet, sich selbst und seinen Körper zu dem Gegenstand in Beziehung zu setzen und sie auf Benutzbarkeit zu prüfen, wobei einige Details vermeintlich Hinweise geben wie zum Beispiel an den Seiten eines Objekts befestigte Schlaufen oder etwa die Anbringung eines anderen Objekts an der Wand in Sitzhöhe.
Schließlich muss der Betrachter jedoch irritiert feststellen, dass es nicht möglich ist, sich auf eine eindeutige Funktion festzulegen. Bei eingehender Betrachtung fällt außerdem auf, dass die Gegenstände dezente Spuren handwerklicher Fertigung aufweisen. So stellt sich nicht nur heraus, dass der Schein industrieller Fertigung trügt sondern so tritt auch die Künstlerin als hinter diesen Objekten stehendes Individuum auf dezente Weise in Erscheinung.
Bei einigen Werken ist es schließlich sogar möglich, die Materialien zu identifizieren. Was sich zunächst als hart, schwer und massiv darzustellen schien, entpuppt sich als weicher Stoff, als flexibler PVC-Wandbelag oder als poröser Gips.
Bei der Betrachtung der Objekte von Mirja Busch spielt das in der Regel schon in frühester Kindheit eingeübte Verhalten eine Rolle, eine Beziehung zur dinglichen Welt aufzubauen. Dabei steht allerdings in vielen Fällen nicht ausschließlich die Frage nach der Funktion eines Gegenstandes im Vordergrund, sondern auch die Frage nach dem ideelen Wert, den ein Gegenstand mit sich bringt. Dies fängt bei der Beziehung zum liebsten Stofftier an und hört beispielsweise bei einer Luxuskarosse auf, die ihrem Besitzer hauptsächlich als Statussymbol dient.
Über Zuschreibungen erhalten Dinge also Eigenschaften und Funktionen, die ihnen letztendlich gar nicht innewohnen. Bei Mirja Buschs Objekten ist eine eindeutige Zuschreibung jedoch nicht möglich. Ihre Ausstrahlung changiert zwischen der eines handwerklich gefertigten Unikats und der eines industriell gefertigten und daher wiederholbaren Gegenstandes, also zwischen Exklusivität und Trivialität. Sie erinnern an Bekanntes, lösen aber das Erwartete nie vollständig ein, sondern locken den Betrachter, abhängig von dessen individuellen Erfahrungen, auf eine Fährte, die jedoch ins Leere läuft. So regen die Objekte letztlich zu einer Überprüfung des eigenen Verhältnisses zur Dingwelt und zu den Erwartungen, die man einen unbelebten Gegenstand zu stellen gewohnt ist an.